Deutliche Mangelwirtschaft jetzt auch im Arzneimittelbereich

Von Kurt Guggenbichler
25. Januar 2023
Lesezeit: 2 Min.

Droht uns ein Medikamenteninfarkt? Schon jetzt sind wichtige Arzneimittel nicht mehr zu bekommen, was auch das Ergebnis einer vernachlässigten Vorsorgepolitik in Österreich und der EU ist.

„Vor allem Antibiotika fehlen“, bestätigt die Medikamentenverkäuferin in der Freindorf-Apotheke in Ansfelden bei Linz. Dies beträfe bestimmte Breitbandantibiotika, die komplett ausgegangen sind. Man habe Kunden schon zur benachbarten Apotheke in Haid schicken müssen, die sich einen großen Vorrat zugelegt hatte, doch auch dieser sei dort seit Montag erschöpft. Nachschub, glaubt die Freindorf-Apothekerin, sei frühestens erst im Februar zu erwarten.

612 Arzneimittel Mangelware

In den anderen Apotheken des Landes sieht es nicht anders aus. Schuld daran, heißt es, sei die derzeitige Grippewelle. Nach aktuellem Stand sind 612 Arzneimittel in Österreich nicht oder nur eingeschränkt verfügbar. Mangelware sind konkret die Schmerzmittel „Paracetamol Accord (500 Milligramm)“, das Antibiotikum „Augmentin“ (mit Penicillin) und die Atemweg-Arznei „Sultanol“ wie auch noch Zäpfchen, Säfte, Pulver und Sirupe. Meist sind nur bestimmte Packungsgrößen gerade nicht da, vielfach fehlen bereits komplette Medikamentenchargen.

Niedriger Preis das Problem?

Was ist jedoch, wenn ein Patient unbedingt das verschriebene und nichtvorhandene Mittel braucht? „Dann halten wir mit dem Hausarzt des Patienten Rücksprache, ob man nicht auf ein anderes Medikament ausweichen kann. In den meisten Fällen gelingt es, eine Lösung zu finden“, sagen die Apotheker. Doch die vorherrschende Grippe ist nur ein Teil der Wahrheit für den vorherrschenden Arzneimangel, betont man vonseiten der Pharmaindustrie, die schon seit langem die viel zu niedrigen Preise für Medikamente beklagt und auch darin einen der Gründe für die derzeitige Verknappung sieht.

Falsche Industrie- und Standortpolitik

Denn von den Pharmafirmen werden die Länder mit den höheren Preisen für kritische Arzneimittel eher versorgt, wozu Österreich dem Vernehmen nach nicht gehört. Daher fordert die Pharmaindustrie schon lange eine Inflationsanpassung von Medikamentenpreisen, was auch die Pressekonferenz von „Sigmapharm“ am Montag erneut deutlich machte. 

Die dritte Wahrheit für das Medikamentenfiasko ist, dass durch eine falsche Industriepolitik die Arzneimittelproduktion sowohl in der EU als auch in Österreich jahrelang vernachlässigt wurde, klagt die Pharmabranche, weil man pharmazeutische Fabrikationsstätten ohne nennenswerte Gegenwehr in den Osten abwandern ließ. 

Mehr Bevorratung vonnöten

Dass wenigstens das Sandoz-Werk im Tiroler Kundl noch in Österreich produziert und nicht schon längst in China, grenzt an ein Wunder. Leider bleibt nur ein verschwindend kleiner Anteil der in Kundl hergestellten Arzneimittel in Österreich, denn 98 Prozent werden exportiert.

Daher sagt Apothekerkammer-Präsidentin Ulrike Mursch-Edlmayr: Um künftige Engpässe in Österreich zu vermeiden, sollten für die wichtigsten Medikamente wie auch Arzneimittelrohstoffe Lager angelegt werden.

Zum Autor: Kurt Guggenbichler war Mitbegründer und Chefredakteur des „Wochenblick“. Sein journalistisches Handwerk hat er bei der „Goslarschen Zeitung“ in Norddeutschland erlernt, wo er acht Jahre lang als Redakteur, Reporter und Kolumnist tätig war. Wieder zurück in seiner Heimat, arbeitete Guggenbichler in der Funktion eines Ressortleiters dann 25 Jahre lang für die „Oberösterreichischen Nachrichten“. Zum „Wochenblick“ wechselte er einige Zeit nach seiner Tätigkeit als Chefredakteur der Tageszeitung „Oberösterreichs Neue“ und für AUF1-Info ist Guggenbichler nun als Nachrichten-Redakteur, Kommentator und Reporter im Einsatz.

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