Wohlstandverwahrlosung gefährdet Personalbestand vieler Einsatzkräfte

Von Kurt Guggenbichler
20. September 2023
Lesezeit: 3 Min.

Nicht nur Rettung und Polizei haben Probleme, genügend geeignetes Personal zu bekommen, auch das Jagdkommando, die militärische Spezialeinheit des Bundesheeres, sorgt sich um seinen Fortbestand.

Sollte sich vor allem im Segment der jüngeren Unteroffiziere des Bundesheeres der Stand weiterhin verringern, wird auch für uns das Rekrutierungspotential kleiner, erläutert Jagdkommando-Kommandant Brigadier Philipp Ségur-Cabanc.

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Bildmitte Segur-Cabanak am Traunsee April 2022 (Guggenbichler)

Denn während bei der Polizei und vermutlich auch bei der Rettung die Anforderungsbedingungen ein wenig heruntergeschraubt werden, um Nachwuchs zu bekommen, sind dem Jagdkommandochef diesbezüglich die Hände gebunden.

Die Besten der Besten

Denn nur die Besten der Besten sind für eine Verwendung beim Jagdkommando gut genug, weil „Weicheier“, die vielleicht den Grundkurs gerade noch geschafft haben, den Dienst bei dieser militärischen Spezialtruppe nicht durchstehen würden. Dieser verlangt nämlich eine permanent hohe Einsatzbereitschaft, wozu eine ständige, beste und körperliche Einsatzbereitschaft eines jeden Jagdkommandosoldaten erforderlich ist, wie es dazu im Bundesheer-Magazin „Truppendienst“ heißt. 

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Das Jagdkommando, zu Wasser, ..... (ÖBH)

In den vergangenen Jahren wurde allerdings schon beim Auswahlverfahren für den Jagdkommando-Grundkurs ein schleichender Verlust von körperlicher und mentaler Leistungsfähigkeit registriert, was mit dem Lebensstil unserer Wohlstandsgesellschaft zusammenhängt, wie der Militärpsychologe des Jagdkommandos konstatiert. Diese Verweichlichung der jungen Leute habe natürlich auch negative Effekte auf das Rekrutierungspotential.

Wohlstandsverwahrlosung

Der militärpsychologische Dienst kennt auch noch eine Reihe weiterer Ursachen für die Wohlstandsverwahrlosung: Weil heute fast alle Wege nur noch mit Fahrzeugen absolviert werden und auch immer weniger mit den bloßen Händen getragen wird, verkümmern Bewegungs- und Stützapparat. Durch die überwiegend virtuelle Kommunikation kann heute Konflikten auch leichter aus dem Weg gegangen werden, was aber das Konfliktlösungsverhalten beeinträchtigt. Wegen der hyperkalorischen Ernährung seien zudem viele Menschen überfüttert, aber trotzdem mangelernährt.

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..... zu Lande ..... (ÖBH)

In Zeiten von Überfluss und permanenter Verfügbarkeit haben die jungen Leute von heute das Warten, Teilen und Verzichten verlernt, sagt der Militärpsychologe: Wer außerdem die Verantwortung für das persönliche Wohlergehen an externe Instanzen delegiere, verliere die Eigeninitiative und verlerne das Bewältigen von Misserfolgen und Frustration.

Von so genannten Helikopter-Müttern, die ständig um ihre Sprösslinge herumschwirren, und den Kindern alle Schwierigkeiten aus dem Weg räumen, wird die Wohlstandsverwahrlosung der künftigen Generation noch nach Kräften gefördert, ergänzen dazu zivile Psychologen. 

Aufgaben und Einsatzgebiete

Aber was das Jagdkommando am wenigsten braucht, sind wohl Kinder von „Helikopter-Müttern“, sondern eher „leidensfähige und doch in sich ruhende Menschen“, stellt Jagdkommando-Überlebensspezialist Charly (ein Deckname) fest. Doch Charlie gibt es wirklich. Er gehört schon 28 Jahre zu dieser militärischen Spezialeinheit und ist in dieser Zeit auch viel in der Welt herumgekommen. 

In den vergangenen Jahren war das Jagdkommando häufig im Ausland eingesetzt, bestätigt Brigadier Ségur-Cabanac. Dabei operierten größere und kleinere Elemente im Tschad, in Afghanistan, in Mali in Senegal und im Ghana.

„Wir sind oft hinter den feindlichen Linien eingesetzt (gewesen), ohne Anschlussversorgung“, erläutert Überlebensspezialist Charlie: Denn „wenn der Hut brennt, müssen wir richtig reagieren, ….auch in Gefangenschaft oder Geiselhaft.“

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..... und in der Luft. (ÖBH)

Obwohl er und seine Kameraden, die sich angeblich dort am wohlsten fühlen, wo andere jammern und klagen, künftig nicht mehr so viel im Ausland eingesetzt werden könnten, bleibt auch im Inland noch genug für sie zu tun. Denn seit der Neuausrichtung des Bundesheeres soll es für das Jagdkommando auch wieder mehr Übungen mit anderen Teilstreitkräften des Heeres auf heimischen Boden geben, erläutert der Jagdkommando-Kommandant. 

Numquam retro (Niemals zurück)

Für die Jagdkommandoleute sind die Einsatzorte und –gebiete letztlich egal. Sie werden auch in Zukunft noch überall ihren Mann stehen, falls das Jagdkommando noch genügend richtige Männer bekommt. „Wir brauchen willensstarke Leute“ appelliert Charlie an alle potentiell Interessierten, die auch bei Sturm, Regen oder Schnee noch zuverlässig funktionieren, selbst wenn die Füße wundgelaufen und der Magen leer ist. Bewerbungen nimmt man unter folgender Mail-Adresse entgegen: [email protected]

Zum Autor: Kurt Guggenbichler war Mitbegründer und Chefredakteur des „Wochenblick“. Sein journalistisches Handwerk hat er bei der „Goslarschen Zeitung“ in Norddeutschland erlernt, wo er acht Jahre lang als Redakteur, Reporter und Kolumnist tätig war. Wieder zurück in seiner Heimat, arbeitete Guggenbichler in der Funktion eines Ressortleiters dann 25 Jahre lang für die „Oberösterreichischen Nachrichten“. Zum „Wochenblick“ wechselte er einige Zeit nach seiner Tätigkeit als Chefredakteur der Tageszeitung „Oberösterreichs Neue“ und für AUF1-Info ist Guggenbichler nun als Nachrichten-Redakteur, Kommentator und Reporter im Einsatz.

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