„Mauer um Europa“: Nehammer macht plötzlich auf Grenzschutz-Hardliner

Von Daniel Matissek
10. Februar 2023
Lesezeit: 3 Min.

Manchmal kommen sogar die genau Falschen auf die richtigen Gedanken: Angesichts der sich immer weiter zuspitzenden Migrationskrise gibt nun auch der österreichische Bundeskanzler Karl Nehammer den geläuterten Pragmatiker – und jammert über die Zustände, die er selbst mit seiner türkis-grünen Koalition jahrelang mit herbeigeführt hat. Seine neueste Forderung, die sinngemäß dem Ruf nach einer „Festung Europa“ gleichkommt, müsse unter diesem Aspekt entweder als Inbegriff von Ironie oder Schizophrenie gewertet werden.

Kürzlich hatte Nehammer gefordert: „Physische Infrastruktur und Barrieren sind notwendig, um diese Außengrenzen zu schützen.“ Dies würde auch auf die Errichtung von Grenzzäunen hinauslaufen – bislang ein absolutes Tabu für die Brüsseler Eurokraten und viele Regierungen. Die Maßnahme selbst ist seit Jahren überfällig, wurde jedoch von den globalistischen Links-Mitte-Parteien Deutschlands und Österreichs – eben auch von der ÖVP – stets als undurchführbar oder inhuman erklärt.

Nehammer: „Kein Wunsch, sondern Notwendigkeit“

Anlass der Äußerung war das am Donnerstag beginnende EU-Ratstreffen zur Migration. Angesichts der neuen Flüchtlingskrise, in der sich Europa befinde, müsse „schnell und klar gehandelt” werden, um die Reisefreiheit innerhalb der EU zu erhalten und keine neuen Grenzkontrollen einrichten zu müssen. „Der Schutz der EU-Außengrenzen ist eine Notwendigkeit, kein Wunsch“, drängte der Kanzler. Wenn Europa seine Grenzen nicht schützen könne, führe „sich der Schengen-Raum ad absurdum“.

Es könne nicht sein, dass Migranten, die sichere Drittstaaten durchqueren, ungehindert EU-Außengrenzen überschreiten. Für den Bau von Zäunen oder Mauern sei auch finanzielle Unterstützung der EU erforderlich. „Es braucht endlich ein klares und deutliches Bekenntnis zur Verstärkung des Außengrenzschutzes und zum Einsatz entsprechender finanzieller Mittel aus dem EU-Budget dafür, sonst wird Österreich die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates nicht mittragen können“, drohte Nehammer.

Geheuchelte Konsequenz

Alles richtig – man fragt sich bloß, warum Nehammer erst jetzt auf diese bemerkenswerten Einsichten kommt. Bisher wollte er der ungebremsten Massenzuwanderung praktisch keinen Riegel vorschieben. Dabei stellt sich die Frage, ob seine Aussagen nicht genauso unglaubwürdig sind wie Nancy Faesers Lippenbekenntnisse „konsequenter Abschiebungen“, die sie nach jeder neuen Terror- und Messerattacke heuchelt – um anschließend wieder das genaue Gegenteil zu praktizieren.

Überrascht und irritiert über Nehammers plötzliche (Schein)-Verwandlung vom Saulus zum Paulus zeigte sich EU-Innenkommissarin Ylva Johansson. Sie betonte zwar, der Bau von Mauern und Stacheldrahtzäunen sei keine Lösung, erklärte jedoch zugleich begütigend: „Aber wir müssen unsere Außengrenzen schützen und die EU-Mittel so effektiv wie möglich einsetzen, daher schließe ich physische Infrastrukturen nicht aus.“

Brandbrief von acht Staaten nach Brüssel

Immerhin scheint, bei aller Symbolpolitik, nun etwas Bewegung in die Migrationspolitik zu kommen: Unter dem Eindruck überlasteter Sozialsysteme und Aufnahmekapazitäten haben – neben Österreich – auch Dänemark, Estland, Litauen, Lettland, Malta, Griechenland und die Slowakei ein Schreiben an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ratspräsident Charles Michel unterzeichnet. In diesem wird mehr konkrete Unterstützung der EU-Kommission und ein stärkeres Engagement der EU-Grenzschutzagentur Frontex beim Außengrenzschutz gefordert.

Demnach soll es künftig mehr Abschiebungen durch eine verbesserte Zusammenarbeit mit den Transit- und Herkunftsstaaten geben und die Visapolitik als Hebel eingesetzt werden, um die Rücknahmebereitschaft der betroffenen Drittstaaten zu verbessern. „Unserer Ansicht nach ist das gegenwärtige Asylsystem zerrüttet und es profitieren davon vor allem die zynischen Menschenschmuggler, die aus dem Unglück von Frauen, Männern und Kindern einen Vorteil ziehen“, heißt es in dem Schreiben.

Deutschland rast weiter Richtung Abgrund

Deutschland (wie auch Frankreich) gehört klarerweise nicht zu den Unterzeichnern – und das, obwohl allein hier im letzten Jahr 244.132 Asylanträge gestellt wurden. Damit wurde die ebenfalls schon gigantische Zahl von 190.816 aus dem Jahr 2021 noch einmal weit übertroffen. Allein im Januar dieses Jahres waren es bereits 29.072 Erstanträge gewesen.

Diese ungeheuerlichen Zahlen übertreffen mittlerweile die Krisenjahre 2015/2016 um ein Vielfaches. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz bemüht sich, zumindest vordergründig, das Thema endlich anzugehen. Am Mittwoch erklärte er im Bundestag, eine „wirksame Kontrolle“ der europäischen Außengrenzen sei nötig. Zugleich sei „ganz klar: Wer hier kein Bleiberecht erhält, der muss Deutschland auch wieder verlassen. Deshalb haben wir rechtliche Hürden gesenkt, Straftäter und Gefährder auszuweisen, und die Abschiebehaft verlängert.“ 

Faeser verschleiert Herkunft

Mehr als Lippenbekenntnisse dürften dies jedoch kaum sein. Seine Innenministerin Nancy Faeser tut jedenfalls alles, um das Ausmaß des Flüchtlingsstroms zu verschweigen, indem sie den falschen Eindruck vermittelt, es handele sich fast ausschließlich um ukrainische Kriegsflüchtlinge. Tatsächlich kamen seit September jedoch mehr als doppelt so viele Menschen aus anderen Ländern nach Deutschland (138.435) wie aus der Ukraine (58.763), wobei allein die Zahl der Migranten aus Syrien, Afghanistan und dem Irak um 40 Prozent höher (82.687) ist. Faeser will offensichtlich unter dem Deckmantel der Ukraine-Flüchtlinge verbergen, wer immer noch vor allem ins Land strömt. Vor diesem Hintergrund ist klar, was von Scholz` Grenzschutz- und Rückführungs-Beteuerungen zu halten ist.

Zum Autor: Daniel Matissek ist Journalist mit pfälzischen Wurzeln, arbeitet neben für AUF1 auch für diverse deutschsprachige freie Medien (unter anderem „Journalistenwatch.com“). Gründungsherausgeber des Blogs „Ansage.org“. Schwerpunktthemen: Migrationspolitik, politischer Extremismus, Demokratie und Medienlandschaft. Freund differenzierter Zwischentöne, aber gerne auch leidenschaftlicher Polemiker. Devise: „Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos; es könnte aber auch umgekehrt sein.“

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