Filmreifer Postraub: Täter ließen Zug entgleisen

Von Kurt Guggenbichler
7. Januar 2023
Lesezeit: 3 Min.

Das waren die Rechten! Solche Verdächtigungen werden heute schnell ausgesprochen, wenn man einen Sündenbock benötigt. Neu ist das nicht, denn auch hinter der vorsätzlich herbeigeführten Zugentgleisung in der so genannten Dollfuß-Ära vor bald 100 Jahren auf der Westbahnstrecke bei Oftering war die Täterzuordnung sofort klar. Letztlich war es dann aber eine Tat von zwei Kriminellen, die sich als Zugräuber versucht hatten.

Schon 29 Jahre vor dem berühmten englischen Postraub im Jahr 1963 (TV-Film „Die Gentlemen bitten zur Kasse“), der in die internationale Kriminalgeschichte einging, war in Oberösterreich ein Postzug überfallen worden. Dabei sind die Täter nicht nur brutaler vorgegangen als ihre Nachfolger auf der Briten-Insel, sie haben auch größeren Schaden verursacht und letztlich nicht einmal Beute gemacht.

Filmreifer Tathergang

Ereignet hat sich die grausliche Geschichte in unserer Heimat am 10. April 1934 um 2 Uhr 45. Der aus Wien kommende internationale Schnellzug war gerade aus dem Linzer Bahnhof in Richtung Wels hinausgefahren und hinein in einen orkanartigen Schneeregen. Doch die Sturmböen vermochten die mächtige Lokomotive D 416/6, die angeblich die stärkste und schnellste Zugmaschine Europas war, nicht zu bremsen. Mit Volldampf zog sie ihre Waggons, darunter auch die beiden Postwagen, in denen 13 Beamte saßen, Briefe und Pakete sortierten und Geldsäcke bewachten, durch die raue, dunkle Nacht.

Auf offener Strecke bei Oftering wurde der Zug bereits von zwei Männern erwartet. Der eine war Alois Strigl (43), der andere Josef Scheinecker (40), und beide hielten sich in der Nähe des Bahndamms in einem Gebüsch versteckt. Zuvor hatten sie eine Schiene im Gleisbett gelockert, die den Zug entgleisen lassen wird. Danach, so stellten sie sich es vor, brauchten sie sich nur noch das Geld aus den Postwaggons zu räumen. Sie rechneten mit einer Beute von mindestens 300.000 Schilling.

Tat war lange vorgeplant

Der Coup hätte schon 1932 stattfinden sollen, doch da Scheinecker und Strigl die Schienen schon einige Tage vor dem Überfall gelockert hatten, wurde die Sabotage am Gleisbett von aufmerksamen Streckengehern noch rechtzeitig entdeckt und das geplante Verbrechen somit verhindert.

Diesmal jedoch sollte es klappen. Aus diesem Grund schraubten die beiden Ganoven am 10. April 1934 die 20 Meter lange Schiene erst 28 Minuten vor Eintreffen des Zuges von den Schwellen. Die Bahn hatte die Station Hörsching gerade passiert und Lokführer Anton Allmer wollte gerade beschleunigen, als plötzlich ein furchtbarer Stoß die Garnitur erschütterte. Die Lok sprang aus den Gleisen, die tonnenschweren Waggons drückten von hinten nach und rammten die Lok tief in den Boden. Dabei zersprang der Kohlentender und eine explodierende Wolke aus Kohlenstaub ließ den Heizer Ludwig Ranzenberger und den Lokführer Allmer darin verschwinden.

Flucht ohne Beute

Was für eine Katastrophe! Die beiden Täter schauten ebenso gespannt wie fassungslos-fasziniert auf das Chaos, das sie verursacht hatten. Sie sahen einen Haufen ineinander verkeilter Waggons. Der hintere Teil des Zuges war noch einigermaßen heil, doch vorn, wo sich die Postwaggons befunden hatten, lag nur noch ein Haufen Schrott. Aus den Resten dieses Schrotts schälten sich gerade einige schemenhafte Gestalten heraus und versuchten eine Laterne zu entzünden.

In diesem Augenblick dürften es die Räuber mit der Angst zu tun bekommen haben. „Du, des wird nix mehr, kimm, hau‘ ma ab“, raunte einer der Täter, worauf beide Fersengeld gaben und sich im Schutz der Dunkelheit davonstahlen. Später würden sie erfahren, dass der Heizer der Lokomotive seinen Verletzungen erlag und dreißig Passagiere mit Knochenbrüche, Quetschungen und Verstauchungen ins Spital eingeliefert wurden. Die Gendarmerie nahm sofort die Ermittlungen auf, tappte zunächst aber lange im Dunkeln. Erst zwanzig Monate später sollte sie der Zufall auf die richtige Fährte bringen.

„Zufallstreffer“ brachte Ermittler auf richtige Spur

Denn nachdem der Probegendarm Martin Krottenauer Alois Strigl beim Wildern in der Nacht ertappt hatte, schoss dieser auf den Gendarmen und flüchtete. Doch Krottenauer hatte den Täter trotz der Dunkelheit erkannt und seine Kollegen begannen nun nach Strigl zu fahnden.

Strigl war ein gelernter Maurer, aber schon seit Jahren arbeitslos und wohnte in einem Bauernhaus in der Nähe des Gasthauses Ufermann in der Marchtrenker Au. Obwohl er sich schon seit Jahren mit Diebstählen durchs Leben schlug, hatte er das Image eines Biedermanns. Als ihn die Gendarmen schließlich verhafteten, wurde er im Zuge der Recherchen nach seinem Vorleben von den Beamten auch als Mittäter des versuchten Postzugraubs entlarvt.

Sein 40jähriger Komplize Josef Scheinecker, von Beruf Sattlergehilfe, war in der Ferihumerstraße in Linz-Urfahr zu Hause und schon bei seiner Verhaftung dürfte es ihm gedämmert haben, was ihn nun erwarten wird. Doch er wie Strigl bauten noch darauf, dass man ihre Tat als politisches Fanal der gerade aufkommenden Nazis bewerten wird und hofften so auf eine mildere Strafe. Zumindest Scheinecker wird versuchen, diese Karte auszuspielen und einen Teil der Öffentlichkeit damit täuschen.

Täter zum Tod verurteilt

Doch bei der Gerichtsverhandlung stellte sich die ganze Sache dann doch letztlich als eine rein kriminelle und nicht politische Angelegenheit heraus und die Sicherheitsbehörden atmeten auf. Bei der anschließenden Gerichtsverhandlung am 8. Jänner 1936 wurden Strigl und Scheinecker um 15:32 Uhr zum Tod durch den Strang verurteilt und das Urteil schon kurz danach im Hof des Linzer Landgerichts vollstreckt. Josef Scheineckers Bruder Franz, der das Werkzeug für das Eisenbahnattentat besorgt hatte, wurde zu zehn Jahren schweren Kerkers verurteilt sowie zum Ersatz von 115.000 Schilling an die Bundesbahn verdonnert.

 

Zum Autor: Kurt Guggenbichler war Mitbegründer und Chefredakteur des „Wochenblick“. Sein journalistisches Handwerk hat er bei der „Goslarschen Zeitung“ in Norddeutschland erlernt, wo er acht Jahre lang als Redakteur, Reporter und Kolumnist tätig war. Wieder zurück in seiner Heimat, arbeitete Guggenbichler in der Funktion eines Ressortleiters dann 25 Jahre lang für die "Oberösterreichischen Nachrichten“. Zum Wochenblick wechselte er einige Zeit nach seiner Tätigkeit als Chefredakteur der Tageszeitung „Oberösterreichs Neue“ und für AUF1-Info ist Guggenbichler nun als Nachrichten-Redakteur, Kommentator und Reporter im Einsatz.

Zum Autor: Kurt Guggenbichler war Mitbegründer und Chefredakteur des „Wochenblick“. Sein journalistisches Handwerk hat er bei der „Goslarschen Zeitung“ in Norddeutschland erlernt, wo er acht Jahre lang als Redakteur, Reporter und Kolumnist tätig war. Wieder zurück in seiner Heimat, arbeitete Guggenbichler in der Funktion eines Ressortleiters dann 25 Jahre lang für die „Oberösterreichischen Nachrichten“. Zum „Wochenblick“ wechselte er einige Zeit nach seiner Tätigkeit als Chefredakteur der Tageszeitung „Oberösterreichs Neue“ und für AUF1-Info ist Guggenbichler nun als Nachrichten-Redakteur, Kommentator und Reporter im Einsatz.

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